Das Stück basiert auf den Gedichten der Czernowitzer
Jüdin Selma Meerbaum-Eisinger und dem Gedicht "Todesfuge" ihres
Onkels Paul Celan. Erschienen sind ihre Gedichte im Fischer
Taschenbuchverlag unter dem Titel "Ich bin in Sehnsucht
eingehüllt".
Verfasst wurden die Texte über einen Zeitraum von 2 Jahren,
vom 25.12.39 - 23.12.41, am 16.12.42 stirbt Selma im NS Arbeitslager
Michailowska im Alter von 18 Jahren an Flecktyphus.
Die handgeschriebenen, in deutscher Sprache verfassten Gedichte
sind auf abenteuerliche Weise über Freund und Freundin
nach Israel gelangt und dort eher zufällig entdeckt und
in Deutschland veröffentlicht worden. Sie thematisieren überwiegend
die Erfahrung einer unglücklichen Liebe, die Vernichtung
der Juden bildet ihren zeitgeschichtlichen Kontext, sie wird
aber nur selten ausdrücklich angesprochen.
"Es ist eine Lyrik, die man weinend vor Aufregung liest:
so rein, so hell und so bedroht."
Hilde Domin
Wir haben diese Textvorlage zum Gegenstand unserer Erarbeitung
genommen, weil wir dachten, dass unabhängig vom Holocaust
die Erfahrungen eines 18-jährigen Mädchens unseren
eigenen nicht unverwandt seien. Über die monatelange Auseinandersetzung
mussten wir diese Vorstellung z.T. sicherlich revidieren, es
blieb jedoch eine große emotionale Verbundenheit mit
diesen wunderschönen Gedichten.
Ziel unserer Arbeit ist der Versuch einer Dramatisierung ihrer
Gedichte durch eine tanz-, sprech-, bewegungs- und musiktheatrale
Bebilderung, die dem Zuschauer unser "Portrait" Selmas
vermittelt. Es kommen Instrumente, Musik aus der Konserve und
diverse Geräusche zum Einsatz, des Weiteren entsteht während
der Aufführung eine 2 mal 3 Meter große Kohlezeichnung,
die eine Zeichnung kopiert, die den Moment der Bergung der
Leiche Selmas authentisch festhielt. Eine theatral eingebaute
Diaprojektion eines Photos und einer Handschrift Selmas rundet
unsere szenische Visualisierung ab. Auf diese Weise wollen
wir einen "Augenblick" lang unsere Vorstellung von
Selma sichtbar werden lassen.
Angeregt wurden wir zu unserem Stück 1996 durch eine
eigene szenische Visualisierung des Gedichtes "Märchen" vom
Selma Meerbaum-Eisinger anlässlich der Gedenkfeier der
Gesellschaft für jüdisch-christliche Zusammenarbeit
zur Progromnacht des 9. Nov. 1938. Dieses Jahr jährt sich
das zerstörerische Ereignis zum 60. Mal, für uns
ein Grund zur Entwicklung unseres Stückes. Darüber
hinaus bietet uns die bundesweit umstrittene und deshalb notwendige "Wehrmachtsausstellung",
die im April und Mai nach Aachen kommen wird, ebenfalls einen
sinnvollen Anlass für unser Stück, weshalb die diesjährigen
Aufführungen im SPACE auch im Rahmenprogramm der "Wehrmachtsausstellung" stehen.
Besondere Aufführungen: