„Wir stehen wirklich erst am Beginn“
(B. Brecht)
Mit dem Satz „Wir stehen wirklich erst am Beginn.“ endet
Brechts Drama. - Recht sollte er behalten, bedenkt man z.B.
die zukünftigen, womöglich irreversiblen Manipulationen
am menschlichen Genom, die uns aufschrecken lassen. Oder betrachtet
man den aktuellen religiösen Fundamentalismus, der seinen
Grund in der Heimatlosigkeit des neuzeitlichen Menschen hat,
lässt Brecht Galilei dazu sagen: „Die Himmel, hat
es sich herausgestellt, sind leer. Darüber ist ein fröhliches
Gelächter entstanden.“ (1.Bild). Hier finden sich
gegenwärtige Bezüge zu unserem Stück. Der „Galilei“ ist vielleicht Brechts „Lebenswerk“,
immerhin arbeitete er an ihm von 1938 bis zu seinem Tod 1956
und erstellte drei Fassungen, die eine Wandlung der Hauptfigur
vom Helden zum Antihelden beschreiben und sich an den jeweiligen
zeitgenössischen Ereignissen orientierten. Der Held der neuzeitlich-naturwissenschaftlichen Aufklärung
- ursprünglich gegen den Dogmatismus der Kirche gewendet
- wird zum skrupellos-technischen, egoistischen Wissenschaftler,
mit dessen Forschung das neue, materialistische Zeitalter Einzug
hält und der laut und ebenfalls dogmatisch in der Figur
des Andrea sein Credo einfordert: „Die Wissenschaft kennt
nur ein Gebot: den wissenschaftlichen Beitrag.“ (14.
Bild). Die diesjährige „Galilei“ Inszenierung knüpft
an die vorherige „Gen 3.5“ an und versteht sich
als deren Fortsetzung. Vom „Baum der Erkenntnis“ zur
Erkenntnis des heliozentrischen Weltbildes ist kein langer
Weg, er geht einher mit dem Verlust des Gefühls für
die „Heiligkeit“ des Lebens. Unsere alte Bühne,
eine von Höhlenmalerei geprägte erdfarbige „Weltscheibe“ hat
sich in ein Neongrün verwandelt, die Atmosphäre wird
futuristisch-künstlich, Plastik als Ausdruck menschlicher „Schöpfungskraft“ hält
Einzug, der „Riss“, der die Bühne in zwei
Hälften teilte, ist schärfer geworden, so dass die
Balance zu halten schwerer fällt. Wir wollen unser Stück nicht als larmoyante Klage über
die Verantwortungslosigkeit des Wissenschaftlers verstehen.
Wer weiß denn heute noch, ob es „gut“ oder „böse“, „richtig“ oder „falsch“ gibt?
Aber fest steht, das vorherrschende Gesetz lautet: „Skudi
wert ist nur, was Skudi bringt.“ (1.Bild). Was wir sehen,
ist menschliches Nützlichkeitsdenken, was gedacht wird,
wird gemacht und vielleicht sind die von Expertengremien und
Ethikkommissionen aufkommende Appelle an die „Moral“ ja
letztlich nur hilfloses Alibihandeln oder selbstgerechter Selbstbetrug?
Zur Gruppe:
Wir kommen von der Mies-van-der-Rohe-Schule Aachen, einem Berufskolleg
für Technik. Unsere Gruppe besteht seit 1992 aus der
Kombination von Theater AG und Literaturkurs der Jahrgangsstufen
12 und 13. Zudem spielen auch ehemalige Schüler, Schüler
anderer Schulen und Auszubildende in unserer Gruppe mit.
Wir bewerben uns bei diversen Festivals, um neue Anregungen
und Ideen zu bekommen und außerhalb der Schule zu bestehen.
Besondere Aufführungen:
Theaterwoche Korbach
Deutsches Staatstheater in Timisoara (Temeswar) und Gongtheater
in Sibiu (Hermannstadt) / Rumänien.
Dort spielten als
Ersatz für acht Ensembelmitglieder: Bernd Jansen, Christian
Pongratz, Niko Robens, Udo Sistermann und Stephan Wilden.