In unserer Inszenierung leben beide auf einem mit Bibelseiten beklebten,
auf Rindenmulch gestrandeten Floß, das seinen Sinn, zu „schwimmen",
verloren zu haben scheint. Pozzo und Lucky, angelegt an die Figuren des
Endlosschleifen-Liedes: „Ein Hund kam in die Küche und stahl dem Koch
ein Ei...", sind neben dem Boten Godots und dem Baum - ein verkümmerter
„Baum der Erkenntnis von Gut und Böse" (Gen. 2,17) - die weiteren
Spiel-figuren. Mehr braucht es nicht für die Darstellung der
Tragikomödie des Menschen.
Moses, der Verkünder der 10 Gebote,
unternimmt im 2. Gebot, „Du sollst Dir kein Bildnis machen!" (Ex 20,4),
den paradoxen Versuch, dem Volk Israel und seiner „Religion" in
normativer Sprache zu sagen, dass es seine Glaubens- und Gotteserfahrung
nicht zum Gottesbild erstarren lassen darf. Namen sind konkrete
Benennungen, können aber auch abstrakte Bilder und Begriffe sein. Die
Dinge beim Namen zu nennen (vgl. Gen 2,20) und sich ein Bild zu machen,
sind wesentliche Verhaltensmuster des Menschen. Das Gebot sagt den nach
Bekenntnis und einer religiösen Dogmatik Verlangenden, dass sie sich
kein Bekenntnis geben dürfen, obwohl sie anscheinend ohne es nicht
auskommen können. Ziel des Gebots ist es, religiösen Machtmissbrauch,
der in der Vorgabe des Bekenntnisses gründet, zu verhindern. Das 2.
Gebot fordert also die Gottes-Offenheit, die erst die Freiheit eines
jeden Glaubenden und Hoffenden ermöglicht.
Deshalb lautet die
Übersetzung des alttestamentarischen Gottesnamens „Jahwe" auch „Ich bin
der ich bin da" - Beckett macht daraus „GODOT", was das Dasein auch ins
Tod- sein verkehren könnte.-
So wie die Deutung dem Leben immer
hinterherhinkt, so verhält es sich auch mit dem Göttlichen und seiner
prophetisch und bildhaft Offenbarung. Sie entzieht sich jeder
Dogmatisierung oder Verrechtlichung. In unserem Stück werden deshalb
Filmausschnitte gezeigt, die das Ritualhandeln der drei
geschwisterlichen monotheistischen Religionen, des Juden- und
Christentums sowie des Islams, widerspiegeln. Sie stehen immer in der
Gefahr, „abzusterben" (wie der Baum im Stück), also in der eigenen
Dogmatik umzukommen.