Das Jüngste Gericht
2008/2009
Im Jahr 2009 steht also nun "Das Jüngste Gericht" auf dem Programm, ein Stück mit und für
Menschenfressermenschen. Der "religiöse Firlefanz", der unseren Stücken von wohlmeinenden
Kritikern schon mal nachgesagt wird, hat also auch in diesem Jahr seine Spuren hinterlassen.

Zum Stück:

Schon von alters her sieht sich der Mensch in seinem Jagd- und Essverhalten als schuldig. Herausgefallen
aus der paradiesischen Einheit mit der Natur empfindet er sich durch sein Ich-Bewusstsein in der ihn
umgebenden Welt als fremd. Das Phänomen des Kannibalismus ist bekannt aus Mythen und Sagen, aus
Forscherberichten über Rituale weit entfernt lebender Naturvölkern oder aus medienwirksamen Skandalfällen wie dem des Kannibalen von Rothenburg. Kannibalismus: Ein Thema, dass uns nicht betrifft. Oder doch?

Rio Reiser und seine Band Ton Steine Scherben behaupten: „Menschenfressermenschen gehört fast die
ganze Welt.“ Das sehen wir ähnlich und haben uns deshalb in diesem Jahr näher mit der Frage befasst, ob die Wachstums- und Konsumgier unserer Gesellschaft nicht auch eine Art des Kannibalismus hervorruft. Wir haben uns gefragt, ob wir nicht alle routinierte und gewohnheitsmäßige Menschenfressermenschen sind, die in einer globalisierten Welt auf indirektem Wege die Lebensgrundlagen anderer Menschen verbrauchen und damit ganz konkret ihre Existenz bedrohen.

Auf der Grundlage unterschiedlicher Textmaterialien ist eine Kollage entstanden, die die Vielschichtigkeit und den hohen Verbreitungsgrad kannibalistischer Verhaltensweisen widerspiegelt. Sie tauchen nicht nur im kulturell-religiösen Kontext oder als krankhafte psychologische Störung eines Individuums auf, sondern erstrecken sich in unseren sozialen und wirtschaftlichen Alltag hinein.
Das Jüngste Gericht stellt – in seinem wörtlichen Doppelsinn – die Frage nach dem verantwortungsvollen
Umgang mit unseren Mitmenschen und mit der Welt, in der wir leben. Vor diesem Gericht stehen einerseits die täglichen Ess- und Lebensgewohnheiten unserer westlichen Konsumgesellschaft unter Mordverdacht und andererseits stellt sich dieses Gericht als Gala-Menü heraus, bei dem wir selbst das Dessert sind…

Mit insgesamt 15 Aufführungen avancierte das "Jüngste Gericht" in der Publikumsresonnance zu einem der erfolgreichsten Stücke. Die Teilnahme an der "Maskerade" in Düsseldorf, an der Theaterwoche in Korbach und beim Schultheater der Länder in Hamburg als Vertreter NRWs können das bestätigen. Dass wir am SDL teilnehmen durften, war nicht geplant, da unser Stück überhaupt nicht in das dortige Konzept passte. Da sich aber keiner in NRW fand, haben wir uns zusammen mit pocomania aus Grevenbroich beworben. Nach 1995 nach Hamburg zurückzukommen hatte schon etwas Nostalgisches. Waren wir 1995 noch mit "Nathan- Tod eines Weisen" in Hamburg Anfänger, so galten wir jetzt eher als bekannte und erfahrene Gruppe. In diesem Jahr verlässt uns Sarah leider, da sie in Bonn ihr Refrendariat durchläuft. Dafür erhalten wir in der Technik neue Unterstützung, neben Christoph Bröker arbeitet jetzt auch Jens Richardt mit, so dass wir hoffen können, vor allem Wilfried damit zu entlasten.